Im Zuge der zunehmenden Digitalisierung und der Entwicklungen im Rahmen der Initiative Industrie 4.0 entstehen wechselnde Anforderungen an die Prozessindustrie. Dies äußert sich zum Beispiel in Form von kleineren Chargen und individuelleren Produkten bei gleichzeitig kürzeren Produktlebenszyklen. Eine Möglichkeit, um diesen Anforderungen gerecht zu werden, wird in der Modularisierung von Prozessanlagen gesehen [1]–[3]. Diese werden in dem Statusreport des ZVEI mit dem Titel: „Process INDUSTRIE 4.0: The Age of Modular Production - On the doorstep to market launch“ eingehend Beschrieben [4]. Ein wesentlicher Baustein zur Umsetzung der Modularisierung ist die Orchestrierung der verwendeten Module. Um eine modulare Anlage (Modular Plant - MP) effizient betreiben zu können ist es notwendig, die verwendeten Module, oder genauer modulare Funktionseinheiten (Process Equipment Assembly - PEA), sinnvoll zu verschalten, aufeinander abzustimmen, sowie zu steuern und zu regeln. Angesprochen werden sollen hierbei nicht die einzelnen Komponenten auf Feldebene der jeweiligen PEAs – die Ansteuerung dieser wird nun über den Aufruf von Diensten realisiert, welche die Steuerung der einzelnen Komponenten kapseln. Die für die Zusammenstellung der modularen Anlage benötigten Schritte können vereinfacht als Orchestrierung zusammengefasst werden.
Durch die Modularisierung wird eine Wandlungsfähigkeit der verfahrenstechnischen Anlagen erreicht, mit der schnell und effizient auf wechselnde Markanforderungen reagiert werden kann. Die Prozessindustrie wird dadurch jedoch vor neue Fragen bezüglich Abhängigkeiten, Genehmigung und Datenintegration gestellt, welche zurzeit nicht alle eindeutig beantwortet werden können. Mit der Lösung einiger dieser Fragestellung beschäftigt sich das vom Bundesministerium für Wirtschaft geförderte und in der ENPRO 2.0 Initiative verordnete Projekt ORCA (Effiziente Orchestrierung modularer Anlagen). Innerhalb des Projekts wurde ein Vorschlag für Anforderungen an eine mögliche Realisierung der Orchestrierung in Form einer übergeordneten Ebene erarbeitet. Diese Ebene ist der Process Orchestration Layer (POL), der als Prozessleitsystem für modulare Anlagen fungieren und die Orchestrierungsfunktion übernehmen soll. Ähnlich wie bei herkömmlichen Prozessleitsystemen ist eine Ausprägung als zentrales System mit verschiedenen Funktionen innerhalb eines Betriebes denkbar.
Die Orchestrierung lässt sich zwischen der Verwaltung bzw. Management der PEAs, welche den PEA-Pool realisieren könnte und die Verwaltung über den gesamten Modullebenszyklus [5] begleitet, sowie der produktionsbereiten modularen Prozessanlage einordnen (siehe Abbildung 1). Die genannten Schichten sind als grobe orientierung zu verstehen und können auch teilweise ineinander übergehen. Parallel zu den gezeigten Ebenen ist die NAMUR Open Architecture (NOA) einzuordnen [6]. Dadurch werden auch die Verbindung mit der Welt des Industrial Internet of Things (IIoT) geschlossen.
Abbildung 1: Einordnung der Orchestrierung
Diese Einordnung ist bei weitem nicht vollständig, gibt aber einen groben Überblick an welchen Stellen die Orchestrierung anknüpft. Weitere Punkte welche einzuordnen wären sind generelle Engineering von modularen Prozesseinheiten, die Prozessentwicklung und die Auswahl von geeigneten PEAs für die Umsetzung, sowie die Optimierung und Datenintegration der Prozesse.
In diesem Bericht sollen die in mehreren Arbeitstreffen entstandenen und diskutierten Anforderungen an die Orchestrierung zusammengefasst und beschrieben werden. Es werden Ideen und grobe Umsetzungsvorschläge für die Orchestrierung von modularen Anlagen vorgestellt und im Text grob ausgeführt. Aus den hier vorgestellten Anforderungen können weitere Entwicklungsansätze rund um die Orchestrierung von modularen Anlagen abgeleitet werden, welche teilweise in dem Projekt ORCA, aber auch anderen in der ENPRO 2.0 Initiative verankerten Forschungsprojekten bearbeitet werden.